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Erfolgsfaktoren und Gelingensbedingungen für die strategische Digitalisierung der Hochschullehre

  • M. Graf-Schlattmann, M. Wilde, D. M. Meister, G. Oevel, B. Thomsen
  • 4 Comments

Universität Paderborn, Deutschland

Marcel Graf-Schlattmann, Birte Thomsen, Melanie Wilde, Dorothee M. Meister, Gudrun Oevel

Die digitale Transformation ist – als Veränderungserwartung sowie als realer Prozess – auf allen Ebenen der Hochschulen und insbesondere der Hochschullehre zu finden. Lange Zeit erfolgten die Transformationsprozesse vorrangig auf Mikroebene und die Forschung zu innovativen Lehrtools stand im Zentrum. In den letzten Jahren gewann die Makroebene, die hochschulweite und strategische Digitalisierung, zunehmend an Bedeutung. Angeregt durch zentrale Akteure wie HFD, CHE und KMK befassen sich die Hochschulen nun vermehrt mit Digitalisierungsstrategien in der Lehre und umfassenden Veränderungen. Doch die hochschulweite digitale Transformation ist keinesfalls trivial, denn obwohl dem Thema eine hohe Bedeutung zugesprochen wird und umfangreiche Förderlinien existieren, ist der Prozess mit gewissen Herausforderungen konfrontiert.

Das BMBF-geförderte Projekt Qualitätssicherung in der Digitalisierungsstrategie (QuaSiD) widmet sich diesem Thema und untersucht Akteurskonstellationen sowie Erfolgs- und Misserfolgserfolgsfaktoren bei der Verstetigung und Verankerung von Digitalisierungsprojekten in einer Digitalisierungsstrategie. Dafür wurden u.a. 15 leitfadengestützte Experteninterviews mit Akteuren in unterschiedlichen Funktionen an Hochschulen und Universitäten in Deutschland durchgeführt und gemeinsam mit weiteren Dokumenten in Anlehnung an die Grounded-Theory-Methodologie aufbereitet und analysiert sowie organisationssensible Konzepte zur Beschreibung der Phänomene entwickelt.

Unsere Untersuchung zeigt auf, dass gängige Change-Management-Modelle bei Digitalisierungsstrategien an Hochschulen zu kurz greifen. Vielmehr scheint es für die erfolgreiche Umsetzung einer Digitalisierungsstrategie notwendig zu sein dem wissenschaftlichen Personal, trotz rasanter Veränderungen im Bereich der Digitalisierung, Freiräume und Entwicklungsmöglichkeiten zu gewähren und mit einer Vielzahl kleinteiliger Digitalisierungsprozesse zu operieren. Um dies zu beschreiben, haben wir, unter Berücksichtigung der organisationalen Bedingungen im Hochschulwesen, das Modell der Kollektiven Veränderung entwickelt (vgl. Abb.1). Im Zentrum steht dabei das wechselseitige Zusammenspiel von sechs Handlungsvariablen, die sich in der sozialen Akzeptanz der Veränderung bündeln und die Kollektive Veränderungsbereitschaft darstellen. Dabei besteht ein Spannungsverhältnis zwischen der Dynamik einzelner Prozesse und dem Bestreben nach Synchronisation in einen einheitlichen Prozess.

Doch nicht nur die Bereitschaft zur Veränderung muss geschaffen und sichergestellt werden.  Es braucht darüber hinaus ebenso Rahmenbedingungen um die Umsetzung der digitalen Transformation zu ermöglichen. In unserer Forschung konnten wir dahingehend weitere Gelingensbedingungen identifizieren, die wir in den zwei Komponenten von Veränderungsmöglichkeit und Veränderungskompetenz aufbereiten. Die Veränderungsmöglichkeit stellt die notwendigen Rahmenbedingungen dar. Hierbei sind zum einen die benötigten personellen, finanziellen und infrastrukturellen Ressourcen zu nennen, die den eigentlichen Prozess ermöglichen und auf Dauer sichergestellt sein sollten. Zum anderen bedarf es aber auch klarer Verantwortlichkeiten auf allen Ebenen des Prozesses. Eine besondere Rolle kommt dabei der Funktion eines Kümmerers zu, da hier die verschiedenen Einzelstränge und iterativen Schleifen des Veränderungsprozesses, aber auch die Anliegen und Ziele der beteiligten Akteure und Fachbereiche zusammengeführt werden. Die zweite rahmende Umsetzungsbedingung in diesem Modell ist die Veränderungskompetenz, die das nötige Wissen und Können der Beteiligten beinhaltet. Auch hier sind zwei Handlungsvariablen zu nennen. Es braucht eine Handlungskompetenz, die Fähigkeit im Bereich digitaler Lehre zu handeln, ebenso wie eine Entscheidungskompetenz, in der Entwicklung zur einem hochschulweiten und strategisch gerahmten Prozess.

Abbildung 1: Das Modell der Kollektiven Veränderung

Alle drei Komponenten – die Kollektive Veränderungsbereitschaft des wissenschaftlichen Personals im Zentrum sowie die rahmenden Umsetzungsbedingungen von Veränderungsmöglichkeit und -kompetenz – sind essentiell für den Erfolg des Prozesses. So fehlen ohne die Veränderungsmöglichkeit  die Grundlagen für den Prozess und ohne die Kollektive Veränderungsbereitschaft des wissenschaftlichen Personals würde kein Prozess ablaufen, da sich keine hochschulweite Entwicklung einstellen kann. In unserem Vortrag stellen wir das entwickelte Modell der Kollektiven Veränderung vor. Dabei werden die unterschiedlichen Komponenten mitsamt ihrer Handlungsvariablen aufbereitet und die wechselseitigen Einflüsse der Komponenten intensiv beleuchtet.

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Themenbereiche

  • Digitalisierung

Autoren

  • M. Graf-Schlattmann
  • M. Wilde
  • D. M. Meister
  • G. Oevel
  • B. Thomsen

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  • T1 Vorträge 2 (11∶45 13∶00)

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Vielen Dank!

Vielen Dank für Ihren interessanten Beitrag. Insbesondere das „Modell der Kollektiven Veränderung“ bietet spannende Anschlussmöglichkeiten. Bei der Differenzierung zwischen „Veränderungsmöglichkeit“ und „Veränderungskompetenz“ könnte man auch von „Individuellen Ressourcen“ und „Kontextuellen Bedingungen“ sprechen, wobei ich die von Ihnen herausgestellte Funktion des Kümmerers als Bestandteil personeller Ressourcen sehen würde. Dies ist jedoch nur ein persönlicher Gedankengang, den Sie gerne kommentieren können. Mich würde noch interessieren, in welcher Beziehung aus Ihrer Sicht soziale Akzeptanz und Technologieakzeptanz stehen.
Freundliche Grüße und viel Erfolg beim Projektabschluss!
Melanie Stephan

Liebe Frau Stephan,
vielen Dank für Ihre Rückmeldung und Ihre Fragen. In der Tat ist die Komponente der Veränderungskompetenz stärker auf die individuellen Ressourcen – im Sinne eines individuellen Wissens und Könnens – ausgerichtet, während die Veränderungsmöglichkeit die notwenigen Rahmenbedingungen widerspiegelt. Diese tauchte im Zuge des selektiven Codierens auch zuerst als Kontextbedingungen für die Kollektive Veränderungsbereitschaft auf. Den Kümmerer würde ich insbesondere in seiner Funktion fassen. Er muss auch über Kompetenzen (insb. Entscheidungskompetenzen) verfügen, wichtiger ist m.E. jedoch, dass die Vernetzungsfunktion erfüllt wird und die einzelnen Stränge zusammengeführt werden. In unserem Modell gibt es einige Momente an denen sich einzelne Aspekte überschneiden, bspw. die Unterstützungsstrukturen, die einerseits die soziale Akzeptanz der Veränderung fördern, gleichzeitig aber auch die Handlungskompetenz der Lehrenden prägen und auch hinsichtlich der personellen und infrastrukturellen Ressourcen von hoher Relevanz sind. Daher ist es glaube eine Frage des Blickwinkels, wie die Funktion des Kümmerers eingeordnet wird, da auch hier alle drei Komponenten gleichermaßen betroffen sind.
Bezüglich Ihrer anderen Frage. Ich nehme an, dass sie unter Technologieakzeptanz die Akzeptanz eines bestimmten technischen Tools verstehen und hoffe das ist soweit richtig. Unser Ansatz geht davon aus, dass man die Akzeptanz und intrinsische Motivation der Lehrenden zur Veränderung im Zuge der Digitalisierung – aber auch hinsichtlich des Einsatzes eines bestimmten technologischen Tools – nicht ohne weiteres voraussetzen kann und besonders fördern muss. Dies erfolgt hierbei stark durch das Gewähren von Frei- und Experimentierräumen, also in einer Autonomie in der Wahl der Tools. Gleichwohl gibt es bestimmte Technologien, die von allen genutzt und akzeptiert werden müssen; bspw. die Campus-Management-Systeme oder auch die Learning-Management-Systeme, die an der Hochschule möglichst standardisiert sein sollten. Es gibt dementsprechend zwei Ausprägungen von Technologien, die in diesem Zuge von der Akzeptanz betroffen sind. Die basalen Technologien, die von allen gleichermaßen genutzt werden sollten, sind Teil dessen was im Zuge der Kollektiven Veränderungsbereitschaft akzeptiert werden sollte. Spezifische Tools wiederum – also solche für die es Alternativen gibt und die parallel eingesetzt und genutzt werden könnten – wirken als Teil der gewährten Frei- und Experimentierräume nicht im Sinne von zu akzeptierenden Tools, sondern als akzeptanzfördernde individuelle Lösungen, deren Einsatz nicht vorgeschrieben werden sollte. Also manche Technologien sind Teil des „zu akzeptierenden“, das von der Kollektiven Veränderungsbereitschaft eingeschlossen wird, andere Technologien fallen in den Bereich der Freiräume und fördern so durch die gewährte Autonomie in der Wahl der Tools die soziale Akzeptanz der Veränderung. Ich hoffe ich konnte Ihre Frage gewinnbringend beantworten. Andernfalls können Sie gerne nochmal nachhalten und die Frage spezifizieren.

Beste Grüße und bleiben Sie gesund.
Marcel Graf-Schlattmann

Besten Dank für die ausführliche Antwort. An der Stelle wäre eine persönlichere Diskussion sicherlich sehr spannend aber ich kann ihre Ausführungen gut nachvollziehen, da sie noch einmal mehr den doch (wie so oft) komplexen Gedankengang nachzeichnen, und die Herausforderung des Abgrenzens bzw. in Beziehung setzens einzelner Konstrukte. Die Technologieakzeptanz erscheint mir nach Ihren Ausführungen vielleicht ein dahinterliegender Bereich zu sein. Ich bezieh mich hier auf Venkatesh und Bala. Ebenso wie bei Ihnen, fasst das Modell verschiedene Einflussvariablen zusammen, die die Bereitschaft zur Nutzung einer Technik (Nutzungsintension) beeinflussen, wobei zum Teil kritisiert wird, dass dies in Bezug auf Ableitungen bezogen auf das tatsächliche Nutzungsverhalten zu kurz greift.
Ich sende freundliche Grüße
Melanie Stephan

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