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Betreuungsrollen und Betreuungspraktiken aus Sicht der Promovierenden 1967-2018

  • C. Schneijderberg, L. Müller
  • 2 Comments
Christian Schneijderberg, Lars Müller

Universität Kassel, Deutschland

Forschungsfrage: Inwiefern haben sich Rollen und Betreuungspraktiken bei der Sozialisation von Promovierenden in den letzten Jahrzehnten im Zusammenhang mit hochschulpolitischen Entwicklungen verändert?

Relevanz: Die hochschulpolitischen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte haben teils direkten oder indirekten Einfluss auf die Doktorandenbetreuung, etwa die Empfehlung des Wissenschaftsrats zur Förderung von Graduiertenkollegs 1988, oder der Beginn der Förderung der ersten Exzellenzinitiative 2006. Vor dem Hintergrund der Hochschulexpansion besteht zudem weiterhin die Forderung nach Effizienz und Qualität der Doktorandenausbildung (Teichler 2014). Das Betreuungsverhältnis zwischen Doktormüttern und –vätern und Promovierenden ist hierbei maßgeblich.

Theorie: Die Betreuung von Doktorand/innen hat unter anderem zum Ziel die angehenden Wissenschaftler/innen in die akademische Welt zu integrieren (Gardner 2009). Die Sozialisationstheorie verweist hierbei auf zwei unterschiedliche Aspekte: die Integration in die akademische Gemeinschaft und die Entwicklung hin zu einer/einem selbstständigen Wissenschaftler/in (Grundmann 2006). In der Betreuung muss diese Spannung zwischen Autonomie und Abhängigkeit gemeistert werden. Die Rolle, die die Betreuer/innen (Doktormütter und –väter) zu den Promovierenden einnehmen, wird häufig in Typen wie Coach, Critical friend oder Director eingeteilt (Deuchar 2008). Hiermit verbunden sind bestimmte Betreuungspraktiken (Schneijderberg 2018). Da trotz aller politischer Änderungen der Promotionsprozess sehr individuell zugeschnitten bleibt, kann vermutet werden, dass sich die Rollen und Praktiken der Betreuung wenig geändert haben (Schneijderberg 2018). Je nach Anstellungsverhältnis (z.B. Tätigkeit in einem Drittmittelprojekt) und Fachkultur können jedoch andere Rollen und Praktiken vorherrschen.

Methodisches Vorgehen: Die Arbeit beruht auf der standardisierten quantitativen deutschen Teilstudie des APIKS-Projekts (Academic Profession in Knowledge Societies). Dort werden Wissenschaftler/innen an deutschen Hochschulen zu Arbeitsbedingungen in Forschung, Lehre, Governance und Wissenstransfer sowie zu ihrem Werdegang befragt. Die Rollen sowie Betreuungspraktiken der Doktormütter und –väter werden aus der Sicht bereits Promovierter und aktuell Promovierender mit Itembatterien erfragt (ca. 4000 Fälle). Diese sind zuvor (Schneijderberg 2018) in qualitativen Arbeiten entwickelt, getestet und dann in der APIKS-Studie umgesetzt worden. Die Items werden per Hauptkomponentenanalyse zusammengefasst und mittels konfirmatorischer Faktorenanalyse validiert. Mit Regressionsmodellen wird analysiert, ob sich Rollen und über die Jahre verändert haben und wie sie mit Fach und Anstellungsverhältnis zusammenhängen. Die Jahre werden hierbei nach wichtigen hochschulpolitischen Veränderungen eingeteilt.

Vorläufige Ergebnisse: Erste Ergebnisse zeigen, dass sich drei übergeordnete Rollen der Betreuer/innen finden. Die/der „Supporter“ ermutigt konstruktiv zur Weiterarbeit an der Dissertation. Die Bedeutung die/der „Supporter“ hat über die Jahre etwas abgenommen, und ist eher in den Naturwissenschaften zu finden. Die/der „Director“ erteilt klare Anweisungen und behandelt die Betreuung wie ein Geschäftsverhältnis. Diese Rolle hat besonders in den letzten Jahrzehnten zugenommen (besonders stark bei aktuell Promovierenden), ist jedoch weniger bei Individualpromotionen oder in den Geisteswissenschaften zu finden. Zudem gibt es die Rolle des/der „Master“, als absolute Expert/in auf seinem/ihrem Gebiet. Diese Rolle schreiben die Promovierten ihren Betreuer/innen immer weniger zu (Ausnahme: aktuell Promovierende). Als Praktiken lassen sich u.a. die detaillierte inhaltliche Beratung, das genaue Kontrollieren, aber auch das Verwirrung-Stiften (Verunsichern durch überzogene Ansprüche und Verwirren durch inkohärenten Input) ausmachen. Das Verwirrung-Stiften hat über die Jahrzehnte stark zugenommen und wird noch häufiger von aktuell Promovierenden berichtet.

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  • Mikroebene

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  • C. Schneijderberg
  • L. Müller

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  • T1 Vorträge 1 (10∶15 11∶30)

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Thank you very much for this interesting talk! I enjoyed the thorough methodological employment of qualitative and quantitative data and methods that complement each other. However, two questions remain:

1. Under the „confusion“ factor, you subsume supervision practices that include exaggerated expectations and incoherent evaluations / not understandable feedback. You relate this to the supervision practices of „coach“, „evaluator“ and „desillusionator“. Is this a negative or positive relation? For a better understanding, could you please clarify? Because I have problems (positively) relating a supervisor that functions as „desillisionator“ to exaggereted expectations or a „evaluator“ to inconsistent evauations. Or did I misunderstand something? I hope my question becomes clear. If not, plesae let me know how I can clarify it.

2. Interesting was also the notion that the natural science model is (implicitly) prevalent in dissertation narratives. Did you look at differences, not only regarding disciplines, but regarding monographies versus cumulative / publication-based dissertations?

Thank you in Advance and I am looking forward to reading your publication (where will it be available?).

Dear Katrin,
thank you for watching our presentation and for your comments and questions.

Concerning question 1: The „confusion“ factor is definitely a negative factor. Each practice has a positive and a negative description. So for example, the “confusion factor assembles the downsides of the practice “coach”. Accordingly, the other practices refer to not being a “desillusionator” but supervisors disillusioning doctoral candidates about the scientific endeavor, and giving bad, inconsistent, etc. “evaluations”. In addition, the names of the practices might not be the best translations form German into English. Maybe we have to think more about making the names of the practices more adequate.

Concerning question 2: We definitely will do further statistical analysis for the publication. However, this might/will take some more time. Please send me an email (see last slide) and I will gladly inform you about the publication (e.g., send you a preprint).

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