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Juniorprofessur, Tenure Track & Co. – Ein Vergleich der rechtlichen Rahmenbedingungen von Qualifizierungsstellen und damit verbundener Karrieremöglichkeiten

  • R. Deger, T. Sembritzki
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Roni Deger, Thorben Sembritzki

Leibniz Universität Hannover

Mit Einführung der Juniorprofessur und weiterer (landesspezifischer) professuräquivalenter Qualifizierungsstellen für eine Lebenszeitprofessur – aktuell sichtbar am Ausbau von sogenannten Tenure-Track-Professuren – sollen strukturierte Karrierewege in der Wissenschaft eröffnet werden (vgl. Burkhardt/Nickel 2015; Zimmer 2018). Resultat ist die Koexistenz von neuen und traditionellen wissenschaftlichen Karrierewegen hin zur Professur – und der damit verbundenen Rekrutierungsprinzipien.

Allerdings unterscheiden sich die einzelnen Landeshochschulgesetze (LHG) z.T. dahingehend, welche Qualifizierungsstellen sie überhaupt normieren. Zudem offenbaren sich Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den einzelnen Ländern zum einen hinsichtlich der Zeitpunkte (bzw. Zeiträume) der rechtlichen Normierung bestimmter Stellenvarianten und zum anderen hinsichtlich der betreffenden Merkmale der jeweiligen Stellenvariante – z.B. der Bezeichnungen, Aufgabenprofile, Beschäftigungsperspektiven sowie der korporations- und dienstrechtlichen Stellung. In den aktuell gültigen LHG finden sich so neben der Juniorprofessur weitere Stellenvarianten wie z.B. der Juniordozent, der Hochschuldozent oder die Qualifikationsprofessur.

Diese Entwicklungen haben sich im Zuge der Föderalismusreform 2006 vor dem Hintergrund einer Kompetenzübertragung personalrechtlicher Steuerung im Hochschulwesen vom Bund auf die Ebene der Länder vollzogen; zugleich sind sie Ausdruck eines Wettbewerbs zwischen Ländern und zwischen Hochschulen, der durch Förderprogramme wie die Exzellenzinitiative/-strategie oder das Tenure-Track-Programm befördert wird.

Der Vortrag zeigt zum einen auf, in welchem Umfang solche Qualifizierungsstellen seit den 1980ern Eingang in die Landeshochschulgesetze gefunden haben. Dabei werden mit Blick auf die aktuell gültigen LHG im Besonderen inhaltliche Kongruenzen und Divergenzen bei der Normierung der Stellen aufgezeigt.

Zum anderen werden die Stellenvarianten anhand von Bourdieus (1988, 1998) Forschungsprogramm zum wissenschaftlichen Feld und den im Feld wirkmächtigen Kapitalsorten analysiert und miteinander verglichen. Als Feldspieler(innen) verfügen die Stelleninhaber(innen) von Qualifizierungsstellen über eine spezifische Kapitalausstattung, die wiederum ihre Chancen beeinflusst, auf eine der raren Lebenszeitprofessuren berufen zu werden (vgl. Zimmer 2018).Es wird argumentiert, dass durch entsprechende hochschulrechtliche Regelungen der Erwerb von kulturellem, ökonomischem und sozialem Kapital den weitergehenden Erwerb wissenschaftlichen Kapitals ermöglicht bzw. befördert, und dargelegt, dass für die verschiedenen, rechtlich normierten Qualifizierungsstellen mitunter unterschiedliche Bedingungen existieren, um dies zu bewerkstelligen. Angesichts des Wettbewerbs um eine begrenzte Zahl an Lebenszeitprofessuren (vgl. Rogge 2015) bestehen je nach Qualifizierungsstelle somit (mitunter grundsätzlich) unterschiedliche Bedingungen, um die Chancen auf das Erreichen einer Lebenszeitprofessur zu erhöhen.

Vor dem Hintergrund der skizzierten Rahmenbedingungen für Prozesse der Binnendifferenzierung verknüpft der Vortrag eine soziologische Perspektive auf die Strukturen und Bedingungen einer Binnendifferenzierung von professoralen Qualifizierungsstellen mit einer rechtswissenschaftlichen Perspektive. Die Analysen zu Wandel, Umfang und Wirkungen dieser Binnendifferenzierung erfolgen entsprechend primär auf Grundlage einer Auseinandersetzung mit den entsprechenden Regelungen des Hochschulrahmengesetzes des Bundes (HRG) sowie von sechs LHG.

Mit diesem Beitrag wird erstmals ein umfassender Blick darauf geworfen, wie sich die hochschulrechtlichen Rahmenbedingungen für Qualifizierungsstellen gewandelt haben und wie sich dieser Wandel auf die mit den Qualifizierungsstellen verbundenen Chancen zur Akkumulation von Kapitalsorten, die für das Erlangen einer unbefristeten Professur relevant sind, auswirkt. In diesem Sinne unternimmt der Beitrag einen rechtshistorisch ansetzenden Vergleich, dessen Ergebnisse in soziologisch fundierte Folgerungen zu den Möglichkeiten und Grenzen des Erwerbs feldspezifischen Kapitals im Rahmen einzelner Qualifizierungsstellen überführt werden.

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  • R. Deger
  • T. Sembritzki

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  • T1 Vorträge 1 (10∶15 11∶30)

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Vielen Dank für diesen originellen und spannenden Beitrag! Mich würde folgendes interessieren: Haben Sie in Ihrer Studie auch fächer- bzw. disziplinenspezifische Unterschiede untresucht oder gefunden, wie (im Rahmen des jeweils möglichen) die verschiedenen Professur-Varianten angenommen werden? Wenn man ZB an Fächer denkt, in denen Professuren nicht unbeding die attraktivsten Karriereziele für Promovierte darstellen, also v.a. in den Ingenieurwissenschaften oder Wirtschaftswissenschaften – haben die Professur-Varianten, die finanziell oder von der Perspektive her weniger attraktiv sind, oder weniger Möglichkeiten zur freien Forschung eröffnen, überhaupt eine Chance?

Liebe Frau Reimer, vielen Dank für Ihre Rückmeldung und Ihre Frage!
Im Rahmen unserer Fallstudien an Universitäten, die wir in dem Vortrag erwähnen, haben wir u.a. Interviews mit Stelleninhaber*innen und Dekan*innen aus unterschiedlichen Fachbereichen geführt. Jedoch haben wir das Fach als Vergleichsebene und somit mögliche Besonderheiten bei der Einrichtung von Professuren in verschiedenen Fachbereichen (vorerst) außen vor gelassen. Wir sehen dies jedoch auch als Desiderat unserer Forschung, dem wir in einem (hoffentlich kommenden) Folgeprojekt nachgehen wollen. Uns interessiert dabei vor allem, wie Berufungen auf bestimmte Professur-Varianten (z. B. gemeinsame Berufungen, Schwerpunkt-, Tenure Track-, Stiftungsprofessuren etc.) auf Fächerebene ausgestaltet werden (können), um dort eine Profilbildung zu unterstützen.

Mit Blick auf die im Vortrag behandelten Qualifizierungsstellen können wir auf jeden Fall sagen, das die Herausbildung von Stellen, die besonders attraktive Bedingungen bieten, Ausdruck eines steigenden Wettbewerbs zwischen Hochschulen sind. In bestimmten Fächern, wie den Ingenieurwissenschaften, erhöhen sie womöglich auch die Attraktivität einer wissenschaftlichen Karriere ggü. einer Tätigkeit in der Industrie; dies ist jedoch nur eine Vermutung, die wir empirisch leider nicht untermauern können. Inwiefern Stellen mit vergleichsweise unattraktiveren Beschäftigung- und Karrierebedingungen überhaupt eine Chance haben, können wir leider auch nicht weiter belegen. Der aktuelle Ausbau von Tenure Track-Professuren (die vielerorts mit W2 besoldet werden sollen) lässt jedoch auch hier erahnen, dass die klassische Juniorprofessur (wie sie bspw. im sächsischen Hochschulgesetz zu finden ist, an Attraktivität einbüßen wird.

Viele Grüße, Roni Deger & Thorben Sembritzki

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