Pädagogische Hochschule Heidelberg, Deutschland
Theoretischer Hintergrund und Relevanz
Ziel dieses Beitrags ist die Darstellung eines neu entwickelten Indexes, um den Promotionsfortschritt differenzierter abzubilden. Die Promotionsphase wird in Deutschland von beteiligten Akteuren aus Politik und Wissenschaft zunehmend als Qualifikationsphase wahrgenommen. Diese Entwicklung geht auch mit einer verstärkten Strukturierung sowie verdichteten Gründungen von Promotionsprogrammen und -schulen einher. Vor allem sollen so hohe Abbruchquoten und überlange Promotionslaufzeiten auf maximal vier Jahre verkürzt werden (Wissenschaftsrat 2002). Dabei verschiebt sich der Fokus vermehrt auf den Entstehungsprozess der Dissertation, welcher als Lernprozess mit vielfältigen Herausforderungen wahrgenommen wird (Fiedler & Hebecker 2012). Promovierende in diesem Prozess zu unterstützen ist die Aufgabe von Betreuenden und anderen Einrichtungen (Senger 2010). Diese Perspektive verdeutlicht die Notwendigkeit eines Monitorings des Fortschrittes während der Promotionsphase. So können Probleme in der Forschungsphase besser analysiert sowie angemessene Unterstützungsformen ermöglicht werden. Besonders wegen heterogener Hintergründe von Promovierenden (z. B. Familie und Beruf) sind übliche Indikatoren wie die Dauer seit Promotionsanmeldung vergleichsweise unzuverlässig, um den individuellen Stand im Promotionsprozess nachzuvollziehen. Der bisherigen Forschungslandschaft fehlt jedoch eine alternative Methode hierfür.
Zielstellung
Dieses Projekt schließt die Lücke und entwickelt ein differenziertes Verfahren zur Bestimmung des individuellen Standes im Promotionsprozess. Anlehnend an Dörings & Bortz’ Forschungsprozess (2016) wird ein Index für alle Arten von Dissertationen entwickelt, welcher den Promotionsprozess in elf aufeinander-aufbauende Aufgaben unterteilt. Die Validierung und Herausarbeitung des Nutzens für die Promovierenden erfolgen mittels eines längsschnittlichen Mixed-Methods-Designs (Quan->Quan->Qual).
Methode und erste Ergebnisse
Im September/Oktober 2018 wurden alle Promovierenden einer Pädagogischen Hochschule (n=111) schriftlich zu ihrer Promotion befragt. Von insgesamt 101 zustellbaren Fragebögen wurde ein Rücklauf von 52,5% erzielt. Von den Teilnehmenden waren 70% weiblich und 37% männlich. Im Durchschnitt waren sie seit 2,34 Jahren (SD=1,61) als Promovierende angemeldet. Sie sollten zunächst Auskunft über den Gesamtstand ihrer Promotion geben. Anschließend wurde eine Selbsteinschätzung des Fortschrittes innerhalb von elf Teilaufgaben des Promotionsprozesses, jeweils auf einer Skala von 0-100%, abgefragt. Der aktuelle Promotionsfortschritt berechnet sich aus dem Mittelwert der Prozentangaben zu den Teilaufgaben. Daraus ergab sich ein Mittelwert von 60,85 (SD=27,03). Erste Ergebnisse zeigen, dass die Auskünfte der Promovierenden zu ihrem Gesamtstand im Forschungsprozess den Gesamtmittelwert der Prozentangaben zu den einzelnen Forschungsschritten gut widerspiegeln (r=0,92). Ferner gibt der entwickelte Index den Promotionsstand differenzierter wider als die bisherige Promotionsdauer. Personen, die im gleichen Jahr ihre Promotion anmeldeten, schätzten ihren Promotionsstand in den einzelnen Teilaufgaben sehr unterschiedlich ein (Mittlere SD=15,35). Zudem wird eine hohe wahrgenommene Unterstützung durch das wissenschaftliche Umfeld von den Promovierenden mit einem weiter fortgeschrittenen Stand im Promotionsprozess assoziiert.
In einer zweiten schriftlichen Umfrage (September/Oktober 2019) geben dieselben Promovierenden erneut Auskunft zu ihrem Promotionsstand, um festzustellen, ob sich der Index auch zur Feststellung von Fortschritten eignet. Anschließend werden qualitative Leitfadeninterviews mit ausgewählten Promovierenden (bisherige Promotionsdauer, Promotionsstand, Zufriedenheit mit Promotionsfortschritt) der Pädagogischen Hochschule zur weiteren Validierung herangezogen. Weiterhin soll hier der praktische Nutzen des Tools herausgearbeitet werden.
Das vorgeschlagene realitätsnahe Monitoring des Promotionsfortschrittes soll den für die wissenschaftliche Nachwuchsförderung zuständigen Personen und Institutionen dabei helfen, eine individuelle Unterstützung im Promotionsprozess zu gewährleisten. Ferner sollen die Promovierenden ihren bisherigen und zukünftigen Forschungsprozess besser reflektieren können.
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Muss es nicht korrekterweise heißen: „Entwicklung eines INDIZES…“. Den Begriff „Indexes“ habe ich in meinem Leben noch nie gehört – unangenehmer Genitiv. Bitte korrigieren!
Nein, bitte nicht korrigieren. Indizes ist der Plural; deshalb ist „Entwicklung eines Indizes“ in jedem Fall falsch. Vgl. z. B. Duden. Wenn man „Indexes“ nicht mag und ein bisschen mutig ist, würde auch Index‘ gehen.
Vielen Dank für den sehr spannenden Einblick in Ihre Forschungsarbeit. Ich habe eine Frage zu der Folie 6. Da stellen Sie das adaptierte Modell in Anlehnung an Döring und Bortz (2016) vor. In Ihrer Adaption verweisen Sie durch die Pfeile, dass dieses Modell nicht linear verläuft. Sollen die von Ihnen verwendeten Pfeile jeweils einen Wechsel mit der jeweils nächsten Phase andeuten oder sind diese nur für eine bessere Übersicht „nur“ zur nächsten Phase dargestellt? Ich persönlich gehe davon aus, dass beispielsweise auch Wechsel zwischen Phasen passieren, die nicht unmittelbar aufeinander folgen. Also beispielsweise die Operationalisierung von Begriffen [4] dazu führen kann, dass der theoretische Hintergrund vertiefend erschlossen werden muss [2].
Ebenfalls würde mich interessieren, ob Sie weitere Variablen der Persönlichkeit zur Selbsteinschätzung berücksichtigen?
Vielen Dank für den gut aufgebauten Vortrag. 🙂 Ein sehr spannendes und praxisrelevantes Projekt! Ich denke, dass die Realitätsnähe der Selbsteinschätzung erfasst sowohl über den globalen als auch den Indexwert höher sein wird, wenn eine gute Beziehung zum/zur Promotionsbetreuer*in besteht. Denn sonst kann es ja sehr herbe Rückschläge in allen Schritten des Promotionsprozesses geben.
Lieber Herr Bauer,
vielen Dank für Ihr Interesse! Die Beziehung zur Betreuer*in ist sicherlich sehr einflussreich bezüglich des gesamten Promotionsprozesses. In der Praxis könnte der Index beispielsweise auch dazu eingesetzt werden, zu schauen, wie gut die Einschätzungen von Promovierenden und Betreuenden übereinstimmen.
Danke für den interessanten Vortrag. Es wäre eventuell auch spannend, den Bogen als Fremd- und Selbstrating für „Entwicklungsgespräche“ mit Betreuenden, oder im Promotionskolloquium zu nutzen.
Liebe Frau Klieme,
vielen Dank für die Rückmeldung. In der Tat ist der Abgleich mit der Einschätzung von Betreuenden oder anderen ein sehr spannendes Thema, welches in einem nächsten Schritt unbedingt mitgedacht werden sollte.
Vielen Dank, es hat viel Spaß gemacht dem Vortrag zu folgen!
Gibt es schon erste konkrete Beispiele von Promovierenden welchen praktischen Nutzen der Index hatte?
Liebe Frau Strohschein,
vielen Dank für die positive Rückmeldung. Bisher konnten wir diesen noch nicht systematisch erfassen. Bisherige Rückmeldungen von Promovierenden, die sich noch recht am Anfang ihrer Promotion befinden, weisen aber zum
Beispiel darauf hin, dass der Index dazu beitragen kann, die weitere Forschung zu planen und den weiteren Weg einzuschätzen.
Außerdem haben wir die Rückmeldung erhalten, dass es auch motivierend sein kann, zu sehen, welche Fortschritte schon erzielt wurden. Gerade von Promovierenden, die eine Monographie verfassen.
Gibt es den Bogen auch irgendwo zum Runterladen? Dann könnte ich versuchen mich damit selbt zu monitoren 😉
Liebe Frau Preiß,
vielen Dank für Ihr Interesse! Das gibt es bisher noch nicht. Gerne können Sie mich aber per E-Mail kontaktieren und dann bereden wir dies.