Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung, Deutschland
Die Curricula der Hochschulen werden zunehmend international ausgerichtet. Vor diesem Hintergrund hat sich die Hochschulforschung in den vergangenen Jahren nicht nur intensiv mit der Frage beschäftigt, was Studierende studieren, sondern auch, wo sie lernen. Ein wichtiges Beispiel für eine räumliche Bildungsentscheidung, mit der Studierende sich konfrontiert sehen, ist die Option, einen studienbezogenen Auslandsaufenthalt zu absolvieren. Eine zunehmende Zahl an Studien liefert Hinweise, dass studienbezogene Auslandsaufenthalte die Persönlichkeit, die interkulturellen Kompetenzen und die beruflichen Perspektiven positiv beeinflussen können. Aus ungleichheitstheoretischer Perspektive ist deshalb die Frage relevant, welchen Studierenden es gelingt, einen studienbezogenen Auslandsaufenthalt durchzuführen.
In diesem Kontext zeigen Studien aus verschiedenen Ländern, dass Frauen häufiger einen studienbezogenen Auslandsaufenthalt absolvieren als Männer. Bisher wurde jedoch kaum nach Erklärungen für dieses Muster gesucht. Vor diesem Hintergrund versuchen wir, Erklärungen für die beobachtete Geschlechterungleichheit ausgehend von Geschlechterrollentheorien, der Theorie rationaler Entscheidungen, der kognitiven Entwicklungstheorie, der neuen Haushaltsökonomie und der statistischen Diskriminierungstheorie zu entwickeln und empirisch zu testen.
Auf Basis des DZHW-Studienberechtigtenpanels 2010 adressieren wir die skizzierte Forschungslücke, indem wir Geschlechterunterschiede in der Intention von Erstsemesterstudierenden zur Durchführung eines studienbezogenen Auslandsaufenthalts untersuchen. Im Einklang mit vorangegangener Forschung finden wir, dass Frauen mit merklich höherer Wahrscheinlichkeit einen Auslandsaufenthalt beabsichtigen. Um die relative Bedeutung verschiedener Erklärungsmechanismen zu bestimmen, schätzen wir logistische Regressionen und nichtlineare Effektdekompositionen.
Wir finden, dass Frauen hauptsächlich deshalb häufiger einen Auslandsaufenthalt beabsichtigen, weil sie Schulformen und -fächer wählen, welche die Entwicklung von Kompetenzen fördern, die für einen Auslandsaufenthalt relevant sind. Zudem wählen sie Studienfächer, die Humankapital erfordern, das im Ausland akkumuliert werden kann. Außerdem können sie etwas bessere Schulabschlussnoten vorweisen und schätzen den Organisationsaufwand, der mit einem Auslandsaufenthalt in Verbindung steht, als geringer ein, was jeweils zu einer höheren Wahrscheinlichkeit von Auslandsmobilität führt. Frauen werden zudem weniger vom Zeitverlust aufgrund von Auslandsmobilität abgeschreckt; entgegen der in der einschlägigen Literatur formulierten Hypothese scheint dies jedoch nicht daran zu liegen, dass sie seltener erwarten, die Haupternährerin ihrer zukünftige Familie zu sein. Schlussendlich hält sie die Erwartung, ihre berufliche Karriere für Familienzwecke zu unterbrechen in stärkerem Maße als Männer von Auslandsaufenthalten ab; anders als erwartet finden wir keinen Hinweis darauf, dass Frauen einen Auslandsaufenthalt als Strategie nutzen, um der antizipierten Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt entgegen zu wirken.
Insgesamt verdeutlichen unsere Ergebnisse, dass insbesondere Geschlechterrollentheorien für die Erklärung genderspezifischer Bildungsdisparitäten von zentraler Bedeutung sind – auch bezogen auf Bildungsentscheidungen im fortgeschrittenen Lebensverlauf: Geschlechterrollen scheinen durch die Entwicklung geschlechtsspezifischer Interessensprofile zur Folge zu haben, dass Frauen im Hochschulstudium häufiger einen Auslandsaufenthalt beabsichtigen als Männer.
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